Stellungnahme zur Ligareform

Stellungnahme des FC St. Pauli zur Reform der Ligastruktur

Die hier veröffentlichte Stellungnahme haben wir im Vorwege an die Sportfreunde Herbert Lütge ( DRV-Vizepräsident Spielverkehr ) und Manuel Wilhelm ( Autor des in der Rugbyöffentlichkeit als „Konzept Nr. 4“ bekannten Reformplans ) zur Kenntnisnahme übersandt. Manuel Wilhelms Kommentare, die er sofort zuschickte sind hier mit aufgeführt, um den Stand der Diskussion wiederzugeben.)

1. GRUNDSÄTZLICHE ZUSTIMMUNG

Wir bedanken uns bei Manuel Wilhelm für seine Arbeit. Den von ihm vorgelegten Reformplan halten wir für den durchdachtesten und vernünftigsten Versuch, die schwerwiegenden Probleme im deutschen Rugby, wie z.B. die übermäßig hohen Reisekosten der Vereine und die mangelnde Durchlässigkeit zwischen den Ligen, langfristig zu lösen. Grundsätzlich möchten wir dafür werben, zumindest die Phase 1 seines Reformplans auf dem kommenden DRT zu beschließen und dieses Ligasystem schon in der Saison 2012/2013 umzusetzen.

Diese grundsätzliche Zustimmung verbinden wir mit den folgenden Vorbehalten.

2. ZWEITE BUNDESLIGA

Den Plan, die 2. Bundesliga zahlenmäßig derart aufzustocken, dass auch zahlreiche Regionalligavereine plus einige nur virtuell zählbare Vereine dort organisiert sind, halten wir für überzogen. Wir empfehlen dringend, dies noch einmal zu überdenken.

Nach unserer Ansicht wäre es sinnvoller, eine 2. Bundesliga in gleicher Weise und mit der gleichen Anzahl von Vereinen wie die 1. zu organisieren. Dies würde den Landesverbänden weiterhin Raum lassen, in ihren Bereichen Regionalligen zu gestalten und dabei auf die besonderen lokalen Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Hierzu ist von Seiten des DRV und der führenden Vereine nur genug Vertrauen in die Kraft und den Gestaltungswillen der so genannten „Kleinen“ erforderlich. Dies aber erscheint aufgrund der guten Entwicklung der letzten Jahre in einigen Regionalligen gerechtfertigt.

–>> (Kommentar Manuel Wilhlem: Dieser Vorschlag wurde in der aktuellen Version (1.4) meines Konzeptes bereits berücksichtig und so auch gestern in NRW vorgestellt. Ich sehe momentan 6 Regionalligen unterhalb der zwei Bundesligen mit (5-6 Mannschaften), nach Vorbild der RL Nord bzw der 3. Liga. Aber hier möchte ich, wie Du mir schon vorweggenommen hast, auf die Entwicklungsarbeit der „Kleinen“ vertrauen.)

3. REGIONALAUSWAHLEN

In Phase 2 des Reformkonzepts ist die Einführung eines ganzjährigen Spielverkehrs mit Regionalauswahlen vorgesehen. Dies halten wir für nicht sinnvoll, nicht machbar und zumindest absolut verfrüht. Im Gegensatz zu den Rugbyländern wie Irland und Australien, die hier vielleicht Modell standen, fehlt es in Deutschland an einem ausreichend großen Potenzial leistungswilliger Spieler, die bereit sind oder denen es aus beruflichen und persönlichen Gründen möglich ist, die Strapazen eines regelmäßigen zusätzlichen Trainings fern von ihrem Heimatort auf sich zu nehmen. Wir bezweifeln auch, dass es im deutschen Rugby ausreichend Spieler gibt, die sich freiwillig und ohne finanzielle Kompensation dem fernen Ziel einer theoretischen Verbreiterung der Basis für die Nationalmannschaft zur Verfügung stellen. Gänzlich für verfehlt halten wir die Erwartung, eine Regionalauswahl ließe sich besser vermarkten als ein eingeführter leistungsstarker Verein mit traditionell starkem Standing in der lokalen Öffentlichkeit. Für diese Spekulation gibt es keinen begründeten Anlass.

–>> (Kommentar Manuel Wilhlem: Der Wettbewerb ist nicht als ganzjähriger Wettbewerb geplant, sondern soll parallel mit Vor- und Qualifikationsrunde ausgetragen werden und in einem Endspiel am 1. Mai Gipfeln. Danach sollen die in den Regionalauswahlen geförderten Spieler, wieder in ihre Vereine „entlassen“ werden und das neu erlernte dorthin tragen. D.h. die Vereine spielen die entscheidende Phase der Saison – die Endrunde – mit ihren „Spitzenspielern“. Die 2. Phase soll frühstens 2012/2013 eingeführt werden, allerdings nur wenn sämtliche Rahmenbedingungen geschaffen worden sind. Wenn hierfür jedoch 2-3 Jahre ins Land gehen müssen, dann ist das auch als unproblematisch zu bewerten. Lediglich am Ziel – die Regionalauswahlen zu entwickeln – sollte nach meinem Dafürhalten zwingend festgehalten werden, weil wir nur so eine sportlich hochwertige Förderung unserer besten Talente gewährleisten können.)

Wir schlagen deshalb vor, die Phase 2 des Reformplans abzutrennen und auf dem DRT gesondert zur Abstimmung zu stellen. Zumindest sollte diese Phase aufgeschoben werden, bis sich das Ligasystem nach Phase 1 fest etabliert hat, also für einen Zeitraum von 5 Jahren oder mehr. Allenfalls können wir uns vorstellen, testweise für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochenenden nach Abschluss der Vereinsmeisterschaften eine zusätzliche Spielrunde für Regionalauswahlen zu organisieren.

4. JUGEND

Wir sind enttäuscht darüber, dass auch der von Manuel Wilhelm vorgelegte Reformplan keine Verbindung der Krise im deutschen Rugby mit der tatsächlich geleisteten Jugendarbeit herstellt. Es ist nach unserer Auffassung ein entscheidender Fehler, die Krise allein durch Strukturänderungen an der Leistungsspitze heilen zu wollen. Ein unübersehbarer Ausdruck der Krise ist auch, dass im deutschen Rugby fast kein Spielverkehr zwischen Vereinsmannschaften der Junioren und Jugend stattfindet.

Nach unserer Erfahrung gehören Forderungen nach Sanktionen für fehlende Jugendarbeit zu den unangenehmsten und störendsten auf jedem DRT. Wir erwarten deshalb nicht, dass irgendein Reformvorschlag damit „belastet“ wird. Wir kündigen daher jetzt schon an, dass wir als Verein auf dem DRT einen Antrag stellen werden, der diese Sanktionen verschärfen soll. Er wird voraussichtlich folgende Eckpunkte haben:

Verpflichtung der Erstligisten, in jeder Spielzeit eine Mindestanzahl von vollen 15er-Spielen mit U 16 und U 18-Mannschaften auszutragen / bei Zweitligisten entweder U 16 oder U 18 / keine Anerkennung von Spielgemeinschaften / kein Ersatz von Vereinsmannschaften durch Schulaktivitäten / keine Schonfrist für Aufsteiger / Sanktion: 5 Punkte Abzug in der Liga je fehlender Mannschaft plus 500 € zweckgebunden an die DRJ

–>> (Kommentar Manuel Wilhlem:Volle Zustimmung. Das ist ein Feld auf dem ich zum einen zu wenig Erfahrung habe und welches ich auch aus oben genannten Gründen nicht in den bestehenden Vorschlag einarbeiten wollte.)

 5. SIEBENER

Auch die Reformpläne schaffen Freiräume zur Vorbereitung der 7er-Nationalmannschaft. Dem liegt die Idee zugrunde, dass dieselben Spieler, die in der 15er-Nationalmannschaft und den Spitzenvereinen der 1. Liga spielen, auch die Olympiaqualifikation schaffen sollen. Warum alle Reformvorschläge an dieser Illusion festhalten, verstehen wir nicht. Wir sehen als einzigen Weg für eine glaubhafte Bemühung um eine Olympiaqualifikation in der Schaffung eines gesonderten Kaders aus Profis oder Staatsamateuren, die sich allein auf das 7er-Rugby konzentrieren. Dies kann ohne jegliche Beeinträchtigung des 15er-Spielverkehrs durchgeführt werden.

–>> (Kommentar Manuel Wilhlem:Ich halte den 7er-Ansatz für völlig überfrachtet und bin der Meinung, dass wir mit 10-15 gezielten 7er-Maßnahmen im Jahr relativ schnell auf ein besseres Level kommen können. Die Schritte zur „Weltspitze“ sind allerdings nur mit einem professionell arbeitenden und trainierenden 7er-Team zu schaffen, da bin ich voll bei Euch. Vermute aber, dass wir hiervon noch ein gutes Stück entfernt sind. Von daher stellen die Freiräume für die 7er-Mannschaften zum jetzigen Zeitpunkt einen Kompromis dar, um unter den existierenden Rahmenbedinugungen die Leistungsstärke der Mannschaft zu verbessern.)

Für den Vorstand – Nils Zurawski

Hamburg, im März 2012